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Verlassene Garnisonsstadt mit aufgegebenem Militärflughafen und ...
... der Tod per Mausklick. Wenn man es nicht besser wüsste, könnten es auch Beamte eines Katasteramtes sein, die da hinter ihren Computer-Bildschirmen sitzen und sich nach einem bearbeiteten Vorgang erst mal gemächlich einen Kaffee holen. Doch es geht nicht um die Eintragung eines neuen Eigentümers irgendeines Grundstücks, die mit einem letzten Tastendruck quittiert wird. Es geht um das Töten von Menschen. In der harmlosen Kulisse einer Amtsstube wird Krieg geführt und gezielt getötet. Der Soldat führt seinen Befehl nur nicht mehr mit einem Gewehr im Anschlag, selbst unter Beschuss genommen in einem Schützengraben liegend aus, sondern tausende Kilometer entfernt in einem klimatisierten Büro per Mausklick. Der Krieger des digitalen Zeitalters ist nicht mehr fern der Heimat, nicht mehr in provisorischen Unterständen an der Front permanenter Lebensgefahr ausgesetzt und muss sich vor allem nicht mehr unmittelbarer "Feindberührung" aussetzen, wie man es in der Militärsprache nennt, wenn sich die von den Krieg führenden Regierungen jeweils zum Feind erklärten Befehlsempfänger Auge in Auge gegenüberstehen und jeder versucht, dem anderen zuerst den Garaus zu machen. Der Soldat mit der binär ferngesteuerten Waffe frühstückt täglich mit seiner Familie, verabschiedet sich mit einem fürsorglichen Wangenküsschen von Frau und Kind und fährt wie jeder andere ins Büro und kehrt nach getaner "Arbeit" wieder in seine Familie zurück, in der beim Abendessen über des Filius Schularbeit, das Wetter und das abendliche Fernsehprogramm gesprochen wird. In der Zwischenzeit wird getötet.
Etwas sehr verkürzt sieht so der Alltag von Drohnenpiloten aus. Sie steuern das unbemannt fliegende Tötungsgerät am Computer-Bildschirm. Wüsste man es wiederum nicht besser, könnte man den Eindruck haben, da spielt ein aus dem dafür üblichen Alter eigentlich schon etwas herausgewachsener eines der unzähligen Gewalt-Videospiele, die es heute gibt. Gewalt passt – nur Spiel ist es keins und wenn man es perfider Weise doch so nennen will, dann ist es eines um Leben und Tod.
Krieg war noch nie so einfach wie heute. Zumindest dann, wenn man über die heutigen technischen Möglichkeiten dazu verfügt. Krieg wird damit in meinen Augen noch abscheulicher als er es an sich schon immer war. Bisher mussten Heerschaaren von Soldaten aus Garnisonsstädten wie dieser ausrücken, Panzer und anderes rollendes Kriegsgerät musste auf den Weg geschickt werden und Piloten mussten mit ihren Flugzeugen starten und tief in das als Feindesland erkläre Gebiet vordringen um ihre tödliche Fracht vor Ort abzuwerfen, stets selbst der Gefahr ausgesetzt von gegnerischen Flugzeugen oder vom Boden aus abgeschlossen zu werden. Krieg fand bis in die jüngste Vergangenheit mehr oder weniger "vor Ort" statt. Beide Kontrahenten mussten sich auf "Feindberührung" einlassen. Das geht heute anders. Da läuft ein Dutzend langgewandeter Gotteskrieger mit Maschinengewehren durch die afghanische Wüste und sobald sie auf dem Bildschirm zwischen frischem Kaffee und einem Bild von Frau und Kind als solche ausgemacht werden, sind sie dem tödlichen Mausklick des Kampfpiloten der Neuzeit ausgesetzt. Angriff aus ultimativ sicherer Distanz. Klick und Tod. Die Auflösung der an der Drohne montierten Kamera und der Übertragungsweg der Bilder ist auf die Distanz zu schlecht, um die schmerzverzerrten Gesichter der Getroffenen zu erkennen. Keiner ihrer letzten Schreie sind zu hören. Nichts ist von dem Blut ist zu sehen, das aus ihren Wunden rinnt. Und es werden keine Gefangenen gemacht. Für den Bericht wird die Anzahl an ausgeschalteten Gegnern notiert – fertig. Unmenschlicher geht's kaum.
Der 1831 in Breslau gestorbene preußische General und Militärhistoriker Gottlieb von Clausewitz sagte einmal: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Es scheint mir, dass Clausewitz’ Grundsatz bis heute seine uneingeschränkte Gültigkeit hat, wir uns es bis heute so einfach machen, wenn wir nicht mehr weiter wissen.
Der Krieg macht aus Mördern Helden. Wofür es sonst lebenslänglich und gesellschaftliche Verachtung gibt, wird im Krieg mit Orden und Ehrenzeichen belohnt. Und das schlimmste ist, dass ein Mörder immer ein Motiv hat und allermeist ein höchstpersönliches. Er handelt also gänzlich aus eigenem Antrieb. Im Krieg werden zum Großteil Menschen dazu gezwungen, andere Menschen zu töten.
Wie weit hat es der Mensch inzwischen eigentlich doch gebracht – intellektuell, soziologisch, technisch, medizinisch…. Wie kann es da sein, dass wir immer noch Gründe finden, die es uns tatsächlich als gerechtfertigt erscheinen lassen, andere Menschen zuhauf zu töten. Wann gestehen wir uns endlich alle (!) ein, dass es tatsächlich keinen, aber auch gar keinen Grund geben kann, der es rechtfertigt, einem anderen das Leben zu nehmen.
Diese verlassene Garnisonsstadt zeigt nach meinem Eindruck einen kleinen Ausschnitt des ganzen großen Irrsinns namens "Krieg". Was erfindet der Mensch nicht alles, um aus möglichst sicherer Distanz möglichst viele Menschen möglichst schnell auf einmal zu töten, ganz zu schweigen davon, welchen Aufwand er dafür dann auch betreibt, seine ersonnen Tötungsgerätschaften in Stellung zu bringen und in ständiger Bereitschaft zu halten. Wenn ich vorhin behauptet habe, dass das alles kaum unmenschlicher sein kann, so muss ich doch gleichzeitig erkennen, dass wir wiederum die einzige Spezies auf diesem Planeten sind, die einen derartigen Irrsinn betreibt, nur um möglichst vielen Angehörigen der eigenen Spezies das Leben zu nehmen. Muss man so neu definieren?
Dass sich diese verlassene Garnisonsstadt nun nach und nach die Natur zurückholt (wir haben bei unserem Streifzug sogar ein Rudel Waschbären getroffen), ist Folge des Endes des Gott sei Dank kalt gebliebenen "kalten Krieges". Möge der Mensch hoffentlich irgendwann die völlige Sinnlosigkeit all seiner Kriegsmaschinerien erkennen. Das wäre wirklich ein großer Schritt für die Menschheit.