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Geschlossenes Gymnasium
Sie kommen um zu bleiben. Hunderttausende. Was oder besser wer sich so nach und nach nicht mehr nur im Bild unserer Großstädte, sondern inzwischen bis in die kleinsten Dörfer nicht mehr übersehen lässt, ist erst die Vorhut einer großen Völkerwanderung. Sie hat gerade erst begonnen. Alleine in diesem Jahr kommen weit über eine halbe Million Menschen zu uns. Im nächsten Jahr mag es schon über 1.000.000 sein - Tendenz weiter extrem steigend.
Die geschliffene Beruhigungs-Rhetorik unserer Politiker grenzt dabei an Verantwortungslosigkeit. Man verabreicht dem Volk ein hochdosiertes Placebo der Marke "Keine-Sorge,-wir-haben-alles-im-Griff", das von der Mehrheit bereitwillig geschluckt wird. Unter dieser medikamentösen Wirkung glaubt dann der Patient Bürger, dass die in unserem Land ankommenden Asylbewerber eine vorübergehende Erscheinung sind, die wieder vergeht, wie schlechtes Wetter und die einen so in der Beschaulichkeit des eigenen behüteten Lebens so wirklich nichts angeht.
Pustekuchen! Würde ich in einem Land leben, in dem ich kaum richtig satt werde, geschweige denn von was, in dem ich vielleicht gerade so ein Dach über dem Kopf habe, das hierzulande aber sofort wegen Einsturzgefahr der Abrissbirne anheimgegeben würde, in dem ich ohne irgendeine Perspektive dazu verdammt bin, ohne Job und damit ohne ein auch noch so geringes sicheres Einkommen mich durchs Leben zu schlagen, in dem ich vielleicht sogar noch einer religiösen Minderheit angehöre, die der Mehrheit so verhasst ist, dass ich Angst mein Leben haben muss, dann würde ich mich angesichts dieser Lebenssituationen auch auf den Weg begeben, auf den sich zur Zeit so viele Menschen in Richtung Europa und Deutschland machen.
Habe ich mich einmal zu dieser Reise entschieden, habe ich die wochen- und zum Teil monatelangen unmenschlichen Strapazen überstanden und habe ich es dann geschafft, mit dem Leben davon und angekommen zu sein, dann käme mir sicher nichts in den Sinn, was mich auch nur halbwegs freiwillig dazu bringen würde, zurückzukehren.
Es hat aus meiner Sicht schon fast etwas von Naivität, davon auszugehen, dass die Menschen, die es einmal so zu uns geschafft haben, dazu zu bringen sind, unser Land wieder zu verlassen - zumindest so lange nicht, solange sich die Zustände in dem Land, aus dem sie geflohen sind, nicht grundlegend ändern bzw. bessern.
Ebenso naiv ist es aus meiner Sicht zu glauben, dass Menschen in und aus einer derart hoffnungslosen bis verzweifelten Lebenslage auch nur im Ansatz in den Sinn käme, sich darum zu scheren, was wir uns für Gesetze und Verordnungen für sie einfallen lassen. Das sind zweckaktionistische Scheingefechte der Politik, die Gegenstand der oben bereits erwähnten Placebo-Therapie sind. Aber solange die Therapie weiter anschlägt, wird kein Politiker daran denken, sie abzusetzen und dem Patienten eine ehrliche Diagnose stellen. Diese bleibt tabuisiert im Giftschrank.
Wir können noch so hohe Mauern bauen, auf ihnen noch so viel Stacheldraht ausrollen, es wird nichts nützen. So unangenehm diese Wahrheit ist, wir haben uns unseren Wohlstand zu einem nicht unerheblichen Teil auf Kosten der erworben, aus denen sich nun Millionen bitterarmer, perspektivloser und verzweifelter Menschen auf den Weg zu uns machen. Je mehr wir uns wehren, Ihnen nichts von unserem Wohlstand abzugeben, umso mehr werden sie sich einfach ihren Teil davon bei uns abholen.
Es wird aus meiner Sicht allerhöchste Zeit, mit der Augenwischerei aufzuhören – sich nichts mehr vorzumachen – die normative Kraft des faktischen anzuerkennen. Je eher wir uns alle damit abfinden, dass wir die uns geschaffene Komfortzone auf Kosten anderer nicht mehr verteidigen können, desto eher lernen wir uns mit der neuen Situation abzufinden und aber nach als gegeben und letztlich selbstverständlich anzunehmen. Je länger wir allerdings weiter unsere dumpfen Stammtischparolen im Brustton der Überzeugung schwadronieren, der gewaltgetränkten Stimmung der Straße heimlich zujubeln und am liebsten mittreten würden, desto schlimmer wird es, desto schneller dreht sich die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, desto schneller steuern wir auf das fatale Ende einer ausweglosen Sackgasse zu. Wir müssen schleunigst den Kurs ändern – abbiegen solange es noch Zeit ist – auf den Weg der Menschlichkeit einschlagen – teilen lernen.
Doch leider erreicht man mit Worten niemals die, die nicht zuhören wollen aber doch am ehesten sollten. Es passieren inzwischen wieder Dinge in unserem Land, die ich eigentlich endgültig in die Geschichtsbücher verbannt angenommen hatte.
Das fängt so scheinbar harmlos in unserer Sprache an: "Asylant" klingt ein bisschen wie "Querulant" oder "Simulant". Vorsicht! Die Bücherverbrennung der Nazis war auch kein Literaturkritik. Die Steinigung ehebrüchiger Frauen ist kein Diskussionsbeitrag zur Religionsfreiheit. Und der Aufmarsch grölender Glatzköpfe vor Asylantenheimen ist schließlich kein Ausdruck patriotischer Besorgnis.
Latenter oder offene Gewalt, sind immer die Ausdrucksmittel derer, die wegen ihres gerade mal bis zur Nasenspitze reichenden intellektuellen Horizonts nicht in der Lage sind, ihre Meinung verbal auszudrücken. Diesen hirntotnahen Subjekten bleibt daher nur zu krakeelen, zu schlagen, zu treten und das anzuzünden, über das sie eben nicht im Ansatz in der Lage sind, einen kritischen Diskurs zu führen. Dabei nehme ich niemanden aus und will damit ausdrücklich nicht in den massenhaften Gutmenschen-Kanon gegen die wiederaufkommende braune Gefahr einstimmen. Ob rechts oder links, ob schwarz oder weiß, arm oder reich, jung oder alt, Mann oder Frau … – ganz egal: Gewalt ist die Sprache der Dummen! Auch erhebe ich mich entschieden gegen das die Gewalt legitimationsbemäntelnde Todschlag-Argument, dass man eben der Gewalt manchmal nur mit Gewalt begegnen, man in manchen Situationen Gewalt nur mit Gewalt bekämpfen kann oder dass man gar Gewalt anwenden muss, um zu verhindern, dass ein anderer gewalttätig wird. Wer das ernsthaft glaubt, muss in meinen Augen im Fach gehörig nachsitzen. Lektion 1: keinem anderen Menschen das antun, was man selbst nicht angetan bekommen möchte und andere Menschen so behandeln, wie man selbst möchte, dass mit einem umgegangen wird.
Wenn unsere Politiker aufhören würden, so zu tun, als müssten sie den Untergang des Abendlands verteidigen und dazu aber auch unter allen Umständen in der Lage sein und würden alle zumindest Lektion 1 der Menschlichkeit beherzigen, würde ich mit großer Zuversicht in die Zukunft blicken. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.