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Ehemaliges Veranstaltungs-Zentrum in Chemnitz
Endlich! Das Warten hat ein Ende und sich gelohnt. Eine gefühlte halbe Ewigkeit hat es gedauert, bis ich nun endlich Zugang bekommen habe. Zugang zu einem Gebäude, mit dem viele Chemnitzer und ehemalige Karl-Marx-Städter persönliche Erinnerungen verbinden. Ob es zu Zeiten der DDR Großveranstaltungen waren, in denen das Hohelied auf den Sozialismus gesungen wurde - bzw. werden musste - oder ob es später geile Partys waren, an die man gerne zurückdenkt. Es waren jedenfalls keine Erlebnisse, die von der Beiläufigkeit des Alltags unterspült in den Tiefen der Vergessenheit untergegangen sind. Meist war das hier erlebte etwas besonderes - ganz gleich, ob nun mehr oder weniger freiwillig. Das ganz im sozialistischen Baustil errichtete, markante Gebäude steht mitten in Chemnitz. Es versprüht bis heute den Charme in Stein gehauener oder besser in Beton gegossener Glorifizierung des "real existierenden Sozialismus". Ich gehe auf den Haupteingang mit seinen alugerahmten Türen zu. Der Schlüssel lässt sich nur mit etwas Kraftaufwand in das alte Zylinderschloss schieben. Ebenso schwer und quietschend lässt es sich nur herumdrehen. Knirschend öffnet sich die Tür und gibt den unverstellten Blick frei in das riesige Eingangsportal. Die Tür hinter mir wieder verschlossen, lasse ich die weiten Fluchten und riesigen Räume auf mich wirken, nehme die Atmosphäre auf und lass mich mit allen Sinnen auf sie ein. Die Lautsprecherboxen, die heute noch aus der eigenwilligen Deckenverkleidung des riesigen Hauptsaales ragen, haben schon seit Jahren kein Publikum mehr beschallt. Den Parkettboden, dessen Glanzpolitur bis heute das durch die großen Flügeltüren einfallende Licht reflektiert, hat ebenso lange kein Tanzbein mehr betreten. Es ist fast sakrale Stille eingezogen. Wie in einem großen Gotteshaus ist man hier nicht nur, aber vor allem auch akustisch völlig abgeschirmt. Die einzige Geräuschquelle bin ich selbst. Sogar das Geräusch, das die Kamera beim Auslösen macht, scheint ewig nachzuhallen. Die Wirkung der leeren Weite der Räume wird noch olfaktorisch verstärkt. Der unverwechselbare DDR-Muff liegt bleischwer in der Luft. Es erinnert mich an die erste Zeit noch in Karl-Marx-Stadt, in der es in allen öffentlichen Gebäuden genau so roch. So long time ago. Die Bilder sind "im Kasten". Gut so, denn es ist schnell spät geworden. Die Sonne steht inzwischen so tief, dass sie nicht mehr direkt durch die über die Zeit angelaufenen und damit halbblinden Isolierfenster scheint. Es ist dumpf geworden. Ich verweile noch einen Moment in diesem Sarkophag der versunkenen DDR-Kultur und lasse mich nochmal ganz in die Stimmung fallen, die mich hier ergreift - genau mein Ding. Dann geht’s zurück zum Ausgang. Die Tür nur ja wieder richtig zuschließen, denke ich mir. Ich habe schließlich nicht nur die Schlüsselgewalt, sondern auch die dem entsprechende -verantwortung. Nochmal mit einem kräftigen Zug an der Tür pflichtgemäß prüfend, dass auch wirklich wieder zu ist, gehe ich zurück zum Wagen. Ich schau nochmal zurück. Da liegt nun dieser Torso aus ganz anderen vergangenen Zeiten und wartet, noch nicht tot, jeden Morgen nur auf ein neues Abendrot.