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Ehemalige TBC-Kinderklinik
"Es sind doch noch Kinder!" Wie oft haben wir in den unterschiedlichsten, allerdings meist tragischen Zusammenhängen diesen Ausruf schon gehört. Aus der schlichten wie reinen Eindeutigkeit dieser Feststellung nährt sich ihre emotionale Intensität. Doch was leitet sich daraus ab, wenn es nicht um Kinder, sondern um Erwachsene oder gar Alte geht? In der sinnlogischen Schlussfolgerung würde es dann lauten: "Das sind doch nur Alte!".
Worin definiert sich der Wert eines Menschenlebens? An der noch nicht verbrauchten Lebenszeit? Wenn ja, wie viel Lebenszeit steht einem zu?
Auch wenn es schwer fällt, müssen wir uns wohl doch eingestehen, dass wir des Menschenlebens Wert sicherlich nicht nur aber doch zu einem gehörigen Anteil daran bemessen, wie alt ein Mensch inzwischen ist. Wenn wir beispielsweise vom Tod eines Menschen erfahren und dabei gleichzeitig, dass er sehr alt geworden ist, dann ist eine häufige Entgegnung darauf: "Das ist aber auch ein gesegnetes Alter". Wenn wir allerdings mit dem Tod eines Kindes konfrontiert werden, ist hier eine sehr häufige Äußerung: "Und es hatte doch noch sein ganzes Leben vor sich". Um wie viel tragischer empfunden waren damit wohl Todesfälle in dieser ehemaligen TBC-Kinderklinik im Gegensatz zu denen in einem Senioren-Pflegeheim.
Mit unserer immer älter werdenden Gesellschaft, in der heute noch weit über die Hälfte im aktiven Berufsleben stehen, aber spätestens im Jahr 2050 drei Rentner auf einen Erwerbstätigen kommen, unser Straßenbild also dann geprägt ist von drei über 65-jährigen und dazu jeweils nur einem, der noch jünger ist, wird es eine zunehmende Herausforderung, den Respekt vor dem Alter - oder besser den Alten - unter den jüngeren zu erhalten. Der gesellschaftliche Zusammenhalt wird damit auf eine harte Probe gestellt. Die Last, die die jüngeren aufgrund der großen Mehrzahl der Alten zu schultern haben, wird immens sein. Dazu kommt noch die Art, wie sich die Interessen in unserer Gesellschaft in welchem Anteil durchsetzen – durch unsere Demokratie mehrheitlich! Wenn also in naher Zukunft die Rentner die Mehrheit an den Wahlurnen stellen, haben ihren Interessen deutlich mehr Durchsetzungskraft als die der jungen Minderheit. Wenn es dann mal um die Erhöhung von Steuern und Abgaben geht zur Finanzierung der Sozialleistungen für die Alten, können sich die Senioren auf ihre Mehrheit verlassen und es wird zu entsprechenden Gesetzen zu Lasten der Jungen kommen, die aufgrund der in unserem Land geltenden demokratischen Regeln der Willensbildung keine Chance haben, sich dagegen zu wehren. Sie sind schlicht zu wenige. Sie sind in der unausweichlich unterlegenen Minorität. Es ist keine Frage ob, sondern nur wie lange das dann noch gut gehen wird.
Jetzt gibt es freilich auch die, die mir an dieser Stelle entgegnen würden, dass das doch sehr schwarz gemalt sei und man ja überhaupt noch nicht mit Gewissheit sagen könne, was in 30 Jahren ist. Denen sei mit allem Respekt entgegnet: man kann sogar ganz genau sagen, was in 30 Jahren ist! Die Kinder die heute nicht geboren wurden, werden in 30 Jahren immer noch nicht geboren sein. Das in den vergangenen 20 bis 30 Jahren versäumte (wenn man nicht geborene Kinder so als Versäumnis definieren will) lässt sich nicht mehr aufholen. Die Entwicklung steht also jetzt schon fest und wir wissen eben heute schon genau was uns und vor allem die heutige Jugend erwartet.
Nun möchte ich noch die zu Wort kommen lassen, die nun wahrscheinlich zur Einrede bringen würden, dass wir nur genug Einwanderer ins Land lassen müssten, schon wäre die drohende Vergreisung unserer Gesellschaft gebannt. Man muss kein studierter Demograf sein um festzustellen, dass das grundsätzlich erst mal so stimmen würde. Die hier nicht geborenen Kinder ersetzen durch welche von Außerhalb. So nüchtern – so richtig.
Aber so einfach ist es freilich nicht. Der gesuchte und willkommene Einwanderer soll Geld haben und das auch mitbringen - mindestens so viel, dass wir auf absehbare Zeit sicher sein können, dass er uns nicht auf der Tasche liegen - unsere Sozialsysteme nicht belasten. Eine gute Ausbildung soll er haben - am besten in den Berufen, in denen hierzulande Stellen nicht besetzt werden können - er soll schließlich auch den Fachkräftemangel ausgleichen. Er soll offen und tolerant sein, sich unserer Werte annehmen, sich integrieren, also am besten ganz so tun, als wäre er hier geboren und aufgewachsen.
Man kann sich ja vieles wünschen, nur zur Erfüllung eines Wunsches bedarf es auch immer jemanden, der diesen auch erfüllen kann und will.
Diese First Class Einwanderer haben vielleicht nicht gleich die völlig freie Auswahl, wo Sie zukünftig leben wollen, aber sie sind auch alles andere als arm an Alternativen und eben vor allem Alternativen zu Deutschland.
Auch das mag vielleicht nicht jedem schmecken, aber Deutschland ist bei weitem nicht die erste Destination in den Präferenzen der 'High Potentials' unter den Einwanderern. Das hat zum einen legislative aber zum anderen auch kulturelle Gründe. Während sich erstere grundsätzlich ändern ließen, tut sich eine Gesellschaft – und eben auch unsere – mit letzteren schon deutlich schwerer.
Wobei wir bei dem nächsten Bewertung-Kriterium für den Wert eines Menschenlebens sind: die volkswirtschaftliche Wertschöpfung eines Menschen. Was hat die Gemeinschaft von ihm? Was kann er für die Gemeinschaft beitragen? Welchen Nutzen stiftet er? Längst hat unsere Ökonomie den Wert eines Menschenlebens taxiert. Die Volkswirtschaftslehre hat Verfahren entwickelt, die Menschenleben nach bestimmten Umfeldbedingungen in Geldeinheiten bewertbar macht, also eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse möglich wird. Und weil sich die makroökonomischen Zahlenakrobaten dann doch etwas schämen, offen von der < Berechnung des Wertes eines Menschenlebens > zu sprechen, haben sie in ihrer Sprache den < Wert eines statistischen Lebens (WSL) > erfunden. Nur ein anderes Etikett – der Inhalt ist der gleiche.
Jung zu sein reicht also bei weitem nicht. Es kommt auch darauf an, was man von Ihnen als Mensch hat, oder noch deutlicher, was man aus ihnen rausholen kann.
Mit Menschlichkeit im ureigenen Sinne hat das alles denkbar wenig zu tun.
Was kann ein Kind eigentlich dazu, dass es in Mogadischu und nicht in München geboren wurde? Mit welchem Recht überlassen wir diese Mitmenschen (!) wissentlich ihrem nicht selten grausamen Schicksal? Ganz einfach, weil wir Menschen nun mal so sind und Meister darin, für unser Handeln immer triftige Gründe zu finden. Wir finden immer einen Weg unser Tun und in diesem Fall unser Nichtstun zu rechtfertigen, denn wir (!) entscheiden letztlich darüber was richtig und was falsch ist, was in die Kategorie < gut > und was in die Kategorie < böse > fällt. Wir alleine entscheiden die Zuordnung. Dabei tun nur gerne so, als wären unsere Kategorisierungen objektive und ewig gültige Wahrheiten, so wie es bei Tag hell und bei Nacht Dunkel ist. Viele, ja zu viele glauben das auch und vergessen dabei, dass wir Menschen es sind, die den Finger am Lichtschalter haben.