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Ehemalige Getreidemühle im Großraum Leipzig
Das ist nicht nur eine in fast allen Kulturkreisen gleichermaßen präsente Redewendung, sondern es stimmt wortwörtlich, denn durchschnittlich alle 7 Jahre erneuern sich alle unsere Zellen – wir häuten uns quasi in einem fortlaufenden 7-Jahres-Rhythmus. Die enorme Energie, die für diesen kompletten Erneuerungsprozess nötig ist, nimmt unser Körper aus der ihm zur Verfügung gestellten Nahrung – aus nichts anderem sonst. Dabei geht es ihm nicht um Geschmack und Aussehen der Nahrung, sondern alleine um ihren Inhalt, oder noch genauer, um ihre Verwertbarkeit für den lebensnotwendigen Stoffwechsel. Fände dieser permanente Prozess der Erneuerung nicht statt, würde zum Beispiel schon die kleinste Wunde nie mehr verheilen, denn sie würde sich aus Mangel an neuen Gewebezellen unserer Haut nie mehr schließen können. All das ist beileibe nichts neues und wissenschaftlich ein uralter Hut. So selbstverständlich diese Erkenntnis heute ist, so wenig scheint man sich aber ihrer Bewusst zu sein, wenn es um unsere Ernährung geht. Es macht den Eindruck, dass wir mehr darauf achten, mit welcher Benzinsorte wir unser Auto betanken und was wir unserem Haustier zu fressen geben, als womit wir uns selbst täglich ernähren.
So mag es auch an der immer noch weiter fortschreitenden Industrialisierung und Automatisierung der Nahrungsmittelherstellung liegen, dass diese relativ kleine alte Getreidemühle aus Mangel an Wirtschaftlichkeit aufgeben musste, weil es so kleine, ihrer Kapazität entsprechende Mengen kleiner regionaler Bauern nicht mehr zu verarbeiten gab.
Heute haben unsere Lebensmittel einen Abstraktionsgrad erreicht, der es uns so leicht wie nie macht, darüber hinwegzusehen, oder andersherum, so schwer wie nie macht, zu erkennen, was wir da eigentlich substantiell täglich zu uns nehmen. Da muss man mit guten Augen das Kleinstgedruckte auf der Verpackung der Putensalami lesen, um zu erfahren, dass sie tatsächlich zu einer gehörigen Portion aus Schweinefleisch besteht, dass Orangensaft mit der Bezeichnung nicht der Wortbedeutung nach das Beste des aus der Frucht gepressten Saftes ist, sondern im Gegenteil, nur zu 25 % aus Fruchtsaft besteht und der Rest schlicht Zuckerwasser ist oder dass Fruchtjoghurt meist deutlich weniger als 10 % Fruchtanteil hat. Nimmt man die beliebteste Joghurt-Sorte, den Erdbeerjoghurt und einen Joghurtbecher in üblicher Größe von 150 Gramm, dann ist nicht mal eine ganze Erdbeere darin, den die wiegt durchschnittlich gut 20 Gramm. Der Rest ist also alles, nur nicht das, was den Deckel des Bechers in Gestalt perfekt fotografierter Erdbeeren ziert (übrigens eine fotografische Disziplin höchsten Anspruchs), es sind Inhaltsstoffe, die man eher in der holzverarbeitenden als in der Lebensmittelindustrie vermutet: Es sind in der Tat und völlig legal beigemischt Sägespäne! Ob Holzwürmer Erdbeerjoghurt mögen würden?
Doch ein Stück weit sind wir aus meiner Sicht auch selber schuld beziehungsweise machen wir es der Industrie all zu leicht, uns Nahrungsmittel zu verkaufen, die uns wahrscheinlich eher Ekel und Würgreiz als Appetit verursachten, würden wir nur ihre Zusammensetzung und ihren Herstellungsprozess kennen. Was da zum Teil alles bis zur (notwendigen!) Unkenntlichkeit verwurstet wird, kann man sich nur schwer vorstellen. Aber dann liegt die Wurst hübsch drapiert in der Auslage und die mit dem lachenden Gesicht erregt (marketingtechnisch beabsichtigt) die Aufmerksamkeit der Kleinen, die impulsgerecht quengeln, bis auch davon ein paar Scheiben von der entnervten Mama geordert werden. Für manche "moderne Hausfrau" bedeutet heute Essen zu kochen leider nur noch, die Verpackung zu öffnen und deren Inhalt nach Anleitung zu erhitzen.
Meist völlig bedenkenlos führen wir unserem Körper täglich Stoffe zu, die eher klingen wie giftig-ätzende Substanzen aus dem Chemielabor, als Nahrungsmittel. Diese Antioxidationsmittel, Farbstoffe, Emulgatoren, Stabilisatoren, Gelier- und Verdickungsmittel, Geschmacksverstärker, Konservierungsmittel oder Säuerungs- und Süßungsmittel werden untergemischt in eine mit einem Übermaß an Glutamat zusammengeklebten Masse aus allem möglichen, die damit in die entsprechende Form und Erscheinung gebracht dann schon durchaus schmackhaft daherkommt aber eben nicht selten alles andere als nahrhaft und gesund ist. Es passt eben so gut zu unserer schnelllebigen Zeit: Tüte auf, in den Ofen, die Mikrowelle oder heißes Wasser – ein paar Minuten warten – alles fertig.
Wissenschaftler auf der ganzen Welt gehen einhellig davon aus, dass mehr als 70 % aller Erkrankungen in den westlichen Industrieländern ernährungs- und lebensstilinduziert sind. Und so kommt es, dass die eine Hälfte aus dem, was wir täglich essen, uns ernährt und die andere, mit fortschreitendem Alter größer werdende Hälfte die Ärzteschaft und die Pharmaindustrie, die im symbiotischen Bunde mit den ihre Präparate fleißig verschreibenden Medizinern uns glauben macht, dass es für jede Folge falscher Ernährung eine Pille gibt, die man nur einzuwerfen braucht, wie eine Art Gegengift, und schon ist alles neutralisiert und wieder gut. Man braucht kein besonders hohes intellektuelles Potenzial besitzen um zu erkennen, was für ein Blödsinn das ist. Um schließlich noch Schopenhauer zu bemühen: "Die Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts." Daran lässt sich faktologisch nichts deuten oder anders interpretieren. Der große Haken bei der Sache ist leider nur, dass sich mit guter Gesundheit nicht viel Geld verdienen lässt, insbesondere nicht für die Hersteller der vielen Pillen, die man bei Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Diabetes, Arterienverkalkung oder zu hohem Cholesterinspiegel regelmäßig einnehmen muss.
Das neueste Kapitel in der Entwicklungsgeschichte der menschlichen Ernährung ist nun, direkt ins Erbgut unserer Nahrungsrohstoffe einzugreifen, also sie genetisch zu verändern, damit sie noch anspruchsloser noch schneller noch größer noch schöner werden und das völlig immun gegen alles, was ihr Turbo-Wachstum irgendwie behindern könnte – alles für noch mehr Profit der Nahrungsmittelindustrie im gutmenschlichen Mäntelchen, dem Hunger in der Welt damit zu begegnen. Nicht nur Apokalyptiker und Verschwörungstheoretiker warnen eindringlich vor den heute noch unabsehbaren Folgen, die es haben kann, in unser Ökosystem diese pflanzlichen Superhelden einzuschleusen. Ist nur zu hoffen, dass wir über genug Kryptonit verfügen, um dieser Entwicklung, wenn sie uns denn eines Tages aus dem Ruder läuft, noch etwas entgegensetzen können.