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Aufgegebene Grosswäscherei in Chemnitz
Was haben Steve Jobs, eine überzogene Mittagspause und eine stillgelegte Wäscherei gemeinsam?
Der geschäftige Alltag meines primären Broterwerbs hat mich fest im Griff. Es ist eigentlich ein ganz gewöhnlicher arbeitsreicher Mittwoch. Alles läuft auf Hochtouren und ich mit. Nach knappen 5 Stunden Vollgas ist es spät am Mittag und es bietet sich die erste Gelegenheit zum durchatmen - Mittagspause.
Um aus der Tretmühle aus andauernden Telefonaten, aufeinanderfolgenden Besprechungen und 1001 E-Mail mal kurz rauszukommen, drehe ich nicht selten eine Runde durch ein nahe gelegenes Waldstück. In dieser Hinsicht habe ich wirklich einen sehr schönen Arbeitsplatz. Ein paar Schritte nur und man findet sich in mitten der Natur wieder. Das schöne Flächennaturdenkmal (so die offizielle Bezeichnung) ziert ein kleiner See, in dessen Mitte eine winzige Insel thront, auf der im Sommer die Enten in der Sonne dösen. Heute aber hat es starken Schneeregen gegeben, der meinen üblichen Rundweg zum Feind meines Schuhwerks macht, das ich berufsbedingt Wochentags tragen muss. So entschließe ich mich heute zu einer anderen Route, die mich an einer alten Großwäscherei vorbeiführt. Natürlich kenne ich das alte verlassene Gemäuer schon lange, ist es doch auch nur wenige Gehminuten entfernt. Und natürlich hat es auch schon lange mein Interesse geweckt. Irgendwie war nur in den letzten Jahren noch nie so recht die Zeit und Gelegenheit, sich diesem interessanten Bauwerk in gewohnter, also fotografischer Weise zu nähern.
Als ich daran vorbeilaufe, entdecke ich, dass Baumfällarbeiten auf dem ansonsten dicht bewachsenen Grundstück vorgenommen werden. Zu meiner großen Überraschung und Freude stelle ich weiter fest, dass eine Tür deutlich offen steht. Wann habe ich das letzte Mal eine Mittagspause überzogen? Kann mich nicht erinnern! Muss also - wenn überhaupt - sehr lange, wenn nicht ewig her sein. Die Gelegenheit, der alten Mangelanstalt heute einen Besuch abzustatten, scheint es mir mehr als wert zu sein, die Mittagspause situationsbedingt über das übliche Maß hinausgehen zu lassen.
Als ich den Winkel der schon recht großzügig aufstehenden Tür nur noch etwas vergrößere, um einzutreten, tun sich vor mir sofort ein paar förmlich ins Auge springende schöne Motive auf. Die alte Wäscherei ist noch fast komplett eingerichtet - alte Waschtrommeln, Mangeln, Trockenschleudern und das ganze über ein raumumspannendes Gestänge mit unzähligen Transmissionsriemen angetrieben. Ein bisschen wie in den goldenen industrierevolutionären Jahren.
Doch da stehe ich nun. Ohne Kamera, ohne Stativ, ohne all dem Kram, den ich sonst noch so auf unseren Fototouren üblicherweise mitschleppen. Was tun, sprach Zeus. Jetzt soll die Firma, die diese kleinen scheinbar fast alles könnenden technischen Wunderwerke für die Hosentasche herstellt und die einen angebissenen Apfel als Firmensignet benutzt mal zeigen, was sie bzw. ihr kleines Flunder-Gerät so drauf hat. Die in meinem Smartphone eingebaute Kamera erschöpft sich äußerlich in einem gerade mal gut stecknadelkopfgroßen Objektiv. Der dahinterliegende Sensor kaum möglich dass größer. Trotzdem halte ich das kleine Ding in den Raum und fange an zu fotografieren.
Nach einer reichlichen halben Stunde beende ich das "Shooting" der minimalistischen Art und gehe von einigen Zweifeln getragen, ob das ganze überhaupt was verwertbares gebracht hat, zurück zu Telefon, Bildschirm und Besprechungen.
Draußen wird's allmählich dunkel, in der Firma still. Das Tagwerk mit dem Sortieren der dringendsten Aufgaben für morgen beendend verlasse ich dann auch das Büro für heute. Nach dem Abendessen mit meiner lieben Frau schnapp ich mir das kleine flache tastenlose Ding und verbinde es via Kabel mit meinem Foto-Rechner. Trommelwirbel und Tusch! Auf den ersten, zweiten und auch jeden weiteren kritischen Blick: technisch doch ganz passable Fotos. Freilich nichts für den Druck. Doch wiederum weit davon entfernt, sie verärgert über die vertane Gelegenheit, diese tolle Location endlich mal fotografiert zu haben, zu löschen. Also noch fix die überflüssige Farbe raus und Ta_Taaaa: ein Ergebnis, das sich nach meinem Empfinden sehen lassen kann.
Was ist das doch für ein sagenhafter technischer Fortschritt, der heute schon so selbstverständlich ist. Diese Qualität hat man mit den ersten digitalen Spiegelreflexkameras im Ansatz nicht erreicht. Und die unhandlichen Apparate waren damals nur für die astronomisch hohe Summe von 6.000 DM und mehr zu haben. Heute bekommt man eine Kamera, die um Klassen bessere Bilder macht mit einem Handyvertrag quasi geschenkt. Und wie lange hat diese Entwicklung gedauert? In industriegeschichtlichen Dimensionen gesehen, ging das von gestern auf heute. Was kommt da morgen auf uns zu? Man darf gespannt sein. Eines ist aber schon jetzt gewiss: es wird alles noch schneller und noch toller gehen. Also ich freu mich drauf.